Straßennamen sind oft mehr als nur Wegweiser – sie erzählen Geschichten aus der Vergangenheit und spiegeln die Kultur und Geschichte einer Stadt wider. In Hamburg haben viele Straßen Namen, die auf den ersten Blick kurios wirken oder eine spannende Anekdote in sich tragen. Hinter ihnen verbergen sich Geschichten von gesellschaftlichem Wandel, altem Handwerk, prunkvollen Traditionen und skurrilen Begebenheiten.
Wer durch Hamburgs Viertel schlendert, findet zahlreiche Straßennamen, die zum Nachdenken oder Schmunzeln anregen. Manche sind Zeugnisse längst vergangener Zeiten, andere haben es geschafft, ihren ursprünglichen Charakter bis heute zu bewahren. Hier stellen wir fünf solcher Straßen vor und erzählen die Geschichten, die sie besonders machen.
Jungfernstieg – Die Promenade der unverheirateten Damen
Heute ist der Jungfernstieg eine der bekanntesten Adressen Hamburgs, doch sein Name führt zurück in eine Zeit, als gesellschaftliche Konventionen eine große Rolle spielten. Im 17. Jahrhundert war es Tradition, dass wohlhabende Hamburger Familien ihre unverheirateten Töchter – die sogenannten „Jungfern“ – sonntags hier entlang spazieren führten. Dieser „Jungfernsteig“ war nicht nur ein Ort des Flanierens, sondern auch eine Bühne, um die Damen in der Öffentlichkeit zu präsentieren und potenzielle Heiratskandidaten auf sich aufmerksam zu machen.
1838 erlangte der Jungfernstieg eine besondere Ehre: Er wurde zur ersten asphaltierten Straße Deutschlands, ein Symbol für Fortschritt und Modernität. Über die Jahrhunderte entwickelte sich die Straße zur pulsierenden Flaniermeile, die sie heute ist. Der Blick auf die Binnenalster, edle Boutiquen und traditionsreiche Cafés wie das Alsterhaus prägen den Ort. Doch trotz all des Glanzes erinnert der Name noch immer an eine Zeit, als gesellschaftliche Rituale und Statusfragen das Leben bestimmten.
Herrlichkeit – Ein Name, der an prunkvolle Gärten erinnert
Mitten in der Hamburger Altstadt liegt die „Herrlichkeit“ – eine Straße mit einem klangvollen Namen, der neugierig macht. Der Ursprung geht auf das 16. Jahrhundert zurück, als die Straße von prächtigen Gärten gesäumt war. Diese gehörten wohlhabenden Ratsherren, die ihre Grundstücke mit Blumenbeeten und kunstvoll angelegten Wegen schmückten. Diese „herrlichen“ Gärten gaben der Straße ihren Namen.
Im Laufe der Zeit wurde die ländliche Idylle von der städtischen Entwicklung verdrängt. Die Gärten verschwanden, und an ihre Stelle traten Wohn- und Geschäftshäuser. Doch der Name „Herrlichkeit“ blieb und erinnert heute an eine Zeit, in der Schönheit und Prunk das Straßenbild bestimmten. Für aufmerksame Besucher der Stadt ist er ein kleiner, aber faszinierender Hinweis auf Hamburgs reiche Vergangenheit.
Milchstraße – Wo einst Milchhändler ihr Geschäft machten
Im eleganten Stadtteil Pöseldorf, inmitten von prachtvollen Villen und Galerien, liegt die Milchstraße. Ihr Name führt zurück in eine Zeit, als Pöseldorf noch ein ländliches Gebiet mit kleinen Bauernhöfen und Gärten war. Hier waren im 18. und 19. Jahrhundert viele Milchhändler ansässig, die ihre frische Ware in die Innenstadt lieferten. Der Name der Straße entstand aus dieser landwirtschaftlichen Tradition.
Heute wirkt die Milchstraße wie das genaue Gegenteil ihres Namensursprungs: Sie ist eine exklusive Wohngegend, in der sich Prominente und Geschäftsleute niederlassen. Doch der Name bewahrt die Erinnerung an die bescheidenen Anfänge des Viertels. Er ist ein Symbol dafür, wie sich Hamburg vom ländlichen Stadtrand zur modernen Metropole entwickelt hat – ohne seine Wurzeln ganz zu vergessen.
ABC-Straße – Die Ordnung der Buchstaben
Mit ihrem nüchternen Namen sticht die ABC-Straße in der Hamburger Neustadt nicht sofort ins Auge. Doch dahinter verbirgt sich eine interessante Geschichte. Im frühen 17. Jahrhundert wurden die Häuser entlang dieser Straße alphabetisch geordnet und mit Buchstaben beschriftet. Diese innovative Art der Organisation war ihrer Zeit voraus und erleichterte sowohl den Handel als auch die Verwaltung.
Heute ist die ABC-Straße ein lebendiger Ort, der von modernen Geschäften und historischen Gebäuden geprägt wird. Obwohl die ursprüngliche Bedeutung des Namens in Vergessenheit geraten ist, spiegelt er noch immer den hanseatischen Sinn für Pragmatismus wider. Die Straße ist ein Beispiel dafür, wie funktionale Ideen zu einem festen Bestandteil des Stadtbildes werden können – und manchmal sogar Jahrhunderte überdauern.
Ellenbogen – Ein Straßenname mit Schwung
Die Straße „Ellenbogen“ im Stadtteil Eimsbüttel hat ihren ungewöhnlichen Namen ihrer Form zu verdanken. Ihr Verlauf erinnert an die Biegung eines menschlichen Ellenbogens, was den Hamburgern als Inspiration für die Benennung diente. Solche anschaulichen Namen waren in früheren Zeiten üblich, um den Straßenverlauf verständlich zu machen.
Heute ist der Ellenbogen ein charmantes Wohngebiet mit Altbauten, ruhigen Innenhöfen und viel Grün. Der Name verleiht der Straße einen besonderen Charakter und zeigt, wie eng Hamburgs Geschichte mit praktischen Alltagsbeobachtungen verknüpft ist. Auch wenn die Straße auf den ersten Blick unspektakulär wirkt, lädt ihr Name dazu ein, die kleinen Besonderheiten des Stadtlebens genauer zu betrachten.
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